Jamila Raqib: „Gewaltfrei zu sein ist ziemlich tough.“
Jamila Raqib, Geschäftsführerin der Albert-Einstein-Institution, forscht zu Formen des gewaltfreien Widerstandes und gibt Workshops und Trainings für Aktivisten auf der ganzen Welt. Gemeinsam mit SchülerInnen und LehrerInnen sprach sie an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum und in der Deutschen Schulakademie gGmbH über Ihre Arbeit und die Bedeutung für Bildung und Schule.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass es auch nur ein wichtiges Ereignis in der Weltgeschichte gibt, in der Gewalt keine zentrale Rolle gespielt hätte. Menschen sind einfach gewalttätig." Schüler
Ungläubig und leicht empört reagiert ein Schüler der Evangelischen Schule Berlin Zentrum auf den Vortrag von Jamila Raqib, Geschäftsführerin der Albert-Einstein-Institution. Zum Schulauftakt nach den Herbstferien versammeln sich 300 SchülerInnen der Oberstufe im großen Forum der Schule, um eine Schulversammlung zum Thema Frieden abzuhalten. SchülerInnen haben alles vorbereitet: Die Musik, die Moderation und die Diskussion nach dem Vortrag. Jamila Raqib erzählt über effektive Formen des gewaltfreien Widerstandes. Sie bringt historische und gegenwärtige Beispiele. Und Sie will die SchülerInnen überzeugen: Es ist wichtig, sich über die eigenen Denkweisen über Krieg und Frieden klar zu werden. "Wir denken in unserer Kultur immer, dass wir unsere Menschenrechte nur mit gewaltsamen Mitteln erlangen und verteidigen können.", so Jamila. "Doch viele soziale Bewegungen auf dieser Welt zeigen uns, dass ganze Regime mit gewaltfreien Mitteln gestürzt werden können. Hierfür brauche es das Wissen über Methoden und Menschen und eine ausgeklügelte Strategie. "Gewaltfreien Widerstand zu organisieren ist so komplex wie militärische Kriegstechnik. Und genauso wirksam." Frieden ist das Jahresthema der Schule im Schuljahr 2017/2018. Jamila Raqib ist zu Besuch in Berlin, sie wird nach der Schulveranstaltung auch auf der Veranstaltung der Deutschen Schulakademie mit dem Titel "Global Citizenship Education" sprechen.
„Der Krieg ist Bestandteil meines Lebens“
Jamilas Thema ist der gewaltfreie Widerstand, auf der ganzen Welt, in all seinen Formen, und die gute Strategie dahinter. Die Erfahrung von Gewalt und Konflikt ist tief in ihrer Biographie verankert:
"Krieg ist Bestandteil meines Lebens. Ich wurde in Afghanistan geboren, sechs Monate nach der Invasion der Sowjetunion. Und obwohl ich wenig davon verstand, was um mich herum passierte, konnte ich das Leiden und die Angst um mich herum spüren. Diese Erfahrungen prägen meine Sicht auf Krieg und Konflikte bis heute." Jamila Raqib
Mit vier Jahren flüchtete sie in die USA und blieb. Nach der Schule fing Sie an, sich mehr mit Konflikten zu beschäftigen. Sie traf auf Gene Sharp. Dieser beforschte weltweit Bewegungen und machte 198 verschiedene Formen und Methoden des konfliktfreien Widerstands auf, die er in seinem dreiteiligen Buch "The Politics of Non-Violent Action" beschrieb. Das Buch wurde zu einem großen Erfolg. Menschen in autoritären Regimen schmuggelten sogar Exemplare mit gefälschten Cover in ihr Land. Die Nachfrage nach dem Buch, nach Fortbildungen und Rat durch die von Gene Sharp gegründete Albert-Einstein-Institution ist ungebrochen. Jamila war von Anfang an im Aufbau beteiligt. Heute ist sie Geschäftsführerin. Sie gibt regelmäßig Workshops und Trainings für Aktivisten auf der ganzen Welt und entwickelt neue innovative Ansätze u.a. mit dem MIT Media Lab, dieses Wissen zu verbreiten.
Eine Inspiration für junge Menschen
An diesem Tag auf der Schulversammlung entfachte sie eine engagierte Diskussion zwischen OberstufenschülerInnen. Sie gab viele Denkanstöße: "Ich habe aus der heutigen Diskussion viele Eindrücke und neue Gedanken mitgenommen, vor allem im Hinblick auf meine eigene Zukunft. Es fühlt sich unglaublich inspirierend and und gibt mir Zuversicht"
Um sich selbst einen Eindruck von Ihrer Arbeit zu machen, empfiehlt sich Jamila's inspirierender Ted-Talk "Über das Geheimnis wirksamen gewaltfreien Widerstand".